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Türkei (6)

Kaukasus Bergsteigen und Radreise Axel BauerKaukasus Bergsteigen und Radreise Axel BauerKaukasus Bergsteigen und Radreise Axel BauerKaukasus Bergsteigen und Radreise Axel Bauer

Expedition Kaukasus | Vom Bergsteigen, den Menschen und der Soloradtour nach Hause


Türkei (6)

Backofenhitze Was sich vor mir im gleißenden Sonnenlicht ausbreitet ist eine weite verbrannte Landschaft. Sie wird durchschnitten von dieser Strasse auf der ich mich seit Tage bewege. Ich habe das Gefühl die kleinen Dörfer, durch die ich in regelmäßigen Abständen fahre, mittlerweile zu kennen. Alles wiederholt sich tausende Male in diesen Tagen. Mit dem Kopf nach unten mache ich Kilometer um Kilometer. Es wird eine Reise in mein Innerstes. Besonders an diesem so unendlich heissen Tag, an dem ich am Abend das Wort "Backofenhitze" dick ins Tagebuch kritzele. Wie ist es, wenn man am Anstieg fast zum stehen kommt, der Körper droht zu überhitzen und der Rahmen meines Rades anfängt zu rosten, nur weil stetig die salzigen Schweisstropfen auf ihm landen. Um die Frage zu beantworten. Es ist gut und nochmals gut. Überlebensinstinkte werden wach, der Geist driftet ab und Bilder über Bilder schiessen dir durch den Kopf. Dann kommt die Abfahrt, ich öffne mein durchweichtes Trikot noch einen Tick weiter und lasse mich treiben.
Türkische Kultur Eine Frau ruft, ein Junge, oftmals ein älterer Herr, "Cay, Cay". Ich bin zum Tee eingeladen. Das ist der Moment, wo ich vom Rad steige und spüre wie müde ich schon bin und wie urgemütlich so ein Plastestuhl sein kann, in dem ich mich reinfallen lasse. Der Tee steht immer bereit, er wird ständig und überall getrunken. Er ist Teil der türkischen Kultur. Es ist dieser schwarzer Tee, der gekonnt in die kleine goldumrandeten Gläser geschenkt wird und in der Hitze den Durst in Schach hält.
Freudenschrei Ich bin beschämt darüber kein Türkisch zu können. Doch die Verständigung funktioniert, manchmal komplett ohne das ein Wort über die Lippen kommt. Wir zeigen, mimen, spielen fast Theater, um uns danach darüber totzulachen. Ganz nebenbei erfahre ich die Ergebnisse der Fussball WM und wann die Deutschen spielen. Ich möchte kein Spiel verpassen und finde auch immer wieder eine Spelunke, Tankstelle oder was auch immer, wo ein Fernseher läuft. Wenn die Deutschen gewinnen klatschen wir uns alle ab. Fussball verbindet. Und weiter geht es am nächsten Morgen. Ich nähere mich Istanbul. Für mich ein eigenes Land. Eine Bastion an der Grenze von Asien zu Europa. Die Einfahrt in die 17 Millionenstadt ist für mich eines der wenigen schlimmen Erlebnisse der Reise. Die Strasse wird zur Autobahn (offiziell Schnellstrasse, auf der ich fahren darf), mit vielen Spuren und Verkehr ohne Ende. 150 km geht das so, ich bin ziemlich am Ende als ich den Bosporus erreiche. Ich schicke einen tiefen Freudenschrei zum Himmel, dass ich diesen Tag überlebt hab.
Lateinamerikanische Tänze in Istanbul Im wohl billigsten Hostel der Stadt komme ich unter. Der Vorteil: eine internationale Ansammlung von jungen Leuten. Venezuela, Kanada, Frankreich, alle Erdteile sind vertreten. Umgangssprache ist Englisch. Endlich kann ich mich auch umfassender unterhalten und ein paar Erlebnisse verdauen. An diesen Sonntagabend ist das Fussball WM Finale. Wir rotten uns zusammen und ziehen ins barrio latino im asiatischen Teil Istanbuls, um Spanien gegen die Niederlande siegen zu sehen. Hier im pro Spanischen Viertel werden Salsarythmen aufgelegt und auf der Strasse getanzt. Die sonst verschleierte und eher spröde Türkei wird hier zur südamerikanischen Tanzmeile. Dieser Abend berauscht uns alle.
Ein Bauch wie eine Melone Nach einem Besuch im türkischen Hammam (Bad) bin ich wieder sauber und bereit für die nächsten staubigen Kilometer. Ich überquere die Grenze zu Bulgarien und alles ist anders. Habe ich in der Türkei keine Radfahrer getroffen, so ist es in Bulgarien, der Erste ein Radler, den ich begegne. Ein Wartburg fährt vorbei, langsam, es sind einfach zu viele Löcher in der Strasse. Ich fühle mich wie in der DDR. Die Nacht verbringe ich in einem privaten Garten. Doch davor werde ich mit selbstgezogenen Melonen und Pfirsichen abgefüllt. Alles Bio betont der Mann, der mich eingeladen hat und einen dicken Kullerbauch hat. Problem sagt er und zeigt auf seinen Bauch. Als er meine eingefallene Kuhle sieht holt er das fette Fleisch. Ich soll essen, sonst schaffe ich es nicht bis Deutschland. Ich gehorche. Doch Bulgarien ist mehr, es besitzt eine sehr alte Kultur, was ich im Rila Kloster sehen kann. Hoch oben in den Bergen ist es eine Trutzburg des Christentums. Wunderschöne Malereien an den Wänden und der Decke sind zu entdecken. Ich lasse mich von der weihrauchgeschwängerten Luft betören, stelle mir das einsame Klosterleben in Gedanken vor. Doch mein Weg soll weiter nach Sofia, Belgrad und dann in die Alpen führen. Diese Geschichten müssen erst noch erlebt werden.

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➜___ Moschee | Istambul Türkei | © Axel Bauer___✖

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