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Durch den Balkan (7)

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Expedition Kaukasus | Vom Bergsteigen, den Menschen und der Soloradtour nach Hause


► Durch den Balkan (7)

Es ist Sommer Mensch, habe ich ein Glück, sage ich zu mir. Gerade hat mich Robert, ein Jenaer, der in Sofia ein freiwilliges-europäisches Jahr macht, eingeladen. Es ist genau diese Situation, du bist geschafft vom Radfahren, der unendlichen Hitze des Tages und so irrst du durch eine schnelle, laute und vor allem fremde Stadt. Das Sich-Sorgen-Machen gewöhne ich mir langsam ab und lasse mich einfach treiben. Alles wird sich fügen. Und so geschieht es auch heute. Robert mein Glücksengel ist 21 Jahre, lernt bulgarisch und betreut zusammen mit der Caritas hier in Sofia Drogenabhängige. Sein Zimmer hat er im 10. Stock eines dieser Plattenbauten. Bis in die Nacht ziehen wir durch die Strassen, tanzen spontan mit ein paar Leuten, die bei einem Melonenstand das Radio aufgedreht haben. Es ist Sommer.
Das süße Morgenlicht In der Morgenkühle sitze ich wieder auf meinem Rad und lasse die letzten Häuser der Stadt hinter mir. Es geht an der dicht bewachsenen Schlucht des Iskarflusses nach Norden. Bis zum Mittag steigert sich die Temperatur und auch die Schwierigkeit der Strecke. Doch gerade dieses Spiel fasziniert mich jedes Mal. Zuerst hat man das süße Licht des erwachenden Tages. Der kühle Wind ist berauschend. Dann wird die Luft wärmer, schwerer und träger. Und mit einem Male scheint es, als lähme die brennende Sonne alle Aktivität. Als ich die Stadt mit den edlen Namen Montana erreiche, flüchte ich gleich in den Schatten der Bäume im Park. Erst am Abend fahre ich wieder weiter, wenn das Thermometer unter 35°C sinkt.
Die Geschwindigkeit dieser sonderbaren Gegend Fortan wird das Gebiet immer einsamer und die Häuser einfacher. Die Grenze zu Rumänien und Serbien ist zum Greifen Nahe. Nicht weit weg zwängt sich die Donau durchs Gebirge. Mir scheint als läge flaches Land vor mir, Felder, doch dann rausche ich 150 Höhenmeter hinab in eine Flusstal und kämpfe mich auf der anderen Seite wieder hinauf. Viele Flüsse haben viele Kerbe in die Landschaft geschnitten. Und ich sehe alle Flüsse und deren Kerben in Bulgariens äußersten Norden. Unten im Talgrund ist es grün und bewaldet und hier stehen idyllisch die kleinen Häuser der Bauern. Oben sind die Felder und das gleißendes Sonnenlicht. Es vergehen Stunden und ich bemerke, dass ich zwar viele Pferdekarren gesehen habe, doch keine Autos. Die "Geschwindigkeit" dieser sonderbaren Gegend ist so schnell oder besser so langsam wie meine. Wie angenehm! Mit dem Grenzübertritt nach Serbien werden die Pferdefuhrwerke wieder weniger und die Heuernte wird mit kleinen Traktoren nach Hause geschafft.
Etwas zu früh Um Belgrad, die Hauptstadt Serbiens zu erreichen, muss ich noch einmal auf fast 1000 m hinauf. Für gewöhnlich starte ich um 6.00 Uhr. Da jedoch, wie ich später erfahren habe, die Uhr in Serbien 1 Stunde zurück gestellt werden muss, bin ich praktisch schon um 5 Uhr unterwegs. Ich fahre meist 2 Stunden ohne etwas zu essen, dann suche ich mir Frühstück. An den Bergbauernhöfen, die ich im Beljanica Gebirge sehe, strecken sich die Leute, blinzeln noch ganz verschlafen in die Sonne, bevor sie ihr Tagwerk beginnen. Einer von ihnen wundert sich ganz besonders, als eine Gestalt auf einem Fahrrad, um 5.00 Uhr früh nach Wasser fragt.
Die alte Planwirtschaft In Belgrad falte ich die große Karte auf. In bin aufgewühlt, geht es doch um die Planung der weiteren Strecke. Vor mir liegen Flussebenen und Felder mit über 40°C. Weiter nördlich sehe ich die Alpen und spüre förmlich die klare frische Bergluft. Ich plane meine Route um und mache zudem mit Wibke und meiner kleinen Tochter Smilla einen Treffpunkt in Südtirol aus. So werde ich bis Ljubljana mit den Zug fahren und dafür noch viele Bergpässe in Italien mitnehmen. Der Plan steht und ich habe nun auch wieder einen Blick für Belgrad. Der historische Stadtkern ist schmuck, hat einen riesigen Park mit Blick hinab auf die träge Donau. Das Gold des Kirchendaches kann jedoch nicht das Grau der sozialistischen Wohnblocks überstrahlen. Eine Stadt im Wechsel der Zeiten, wo die alte Planwirtschaft noch genauso präsent zu sein scheint, wie der Hyperkapitalismus der kommen wird. Doch die Menschen haben Charme und diese Erinnerung nehme ich mit auf die Zugfahrt nach Slowenien.
Das Regelwerk der westlichen Welt 8 Stunden sitze ich im Abteil und schaue untätig aus dem Fenster. In Serbien bummelt die Bahn in Fahrradgeschwindigkeit vor sich hin. Grenze zu Kroatien. Hier beschleunigt die Lok auf vielleicht 50 km/h. Grenze zu Slowenien. Der Zugführer tritt sein Gaspedal durch. Kann ich Rückschlüsse von der Geschwindigkeit des Zuges, auf die der Länder ziehen? Diese Landstriche ziehen vor meinem Auge vorbei, ich spüre sie nicht, wie auf dem Rad. Ab Ljubljana sitze ich endlich wieder im eingesessenen Sattel. In Slowenien verlasse ich zudem gefühlsmäßig den Osten und habe nun das Regelwerk der westlichen Welt vor mir. Einen guten Schlafplatz zu finden wird schwerer, die spontanen Einladungen rar, das Obst kommt aus Übersee und ein warmes Mittagessen ist im Vergleich faktisch unbezahlbar. Dafür gibt es jetzt Radwege und klimatisierte Supermärkte.
Vor mir liegen die Julischen Alpen, Italien und das langersehnte Wiedersehen mit meiner Familie. Gut 1000 Radkilometer sind es noch bis nach Hause und ein kleiner Abstecher auf die Zugspitze auf halber Strecke würde der letzten Etappe die richtige Würze geben.

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