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Tausend Bilder im Kopf (8)

Kaukasus Bergsteigen und Radreise Axel BauerKaukasus Bergsteigen und Radreise Axel BauerKaukasus Bergsteigen und Radreise Axel BauerKaukasus Bergsteigen und Radreise Axel Bauer

Expedition Kaukasus | Vom Bergsteigen, den Menschen und der Soloradtour nach Hause


Tausend Bilder im Kopf (8)

Eine sehr alte Tradition Meine Vorfreude Wibke und Smilla nach fast 7 Wochen wieder zusehen verleiht mir zusätzliche Kraft. Auf dem Campingplatz im Antholzer Tal wollen wir uns treffen. Von Ljubljana fahre ich in 2 Mammutetappen über Kransjka Gora hinein in die italienischen Alpen und schließlich ins erste deutschsprachige Gebiet meiner Tour, Südtirol. 2 Tage, an denen meine Begeisterung für das italienische Gespür für feingliedrige Architektur, in Würde alternde Kirchenportale oder das schlichte weisse Kalkgestein der Stadthäuser, überschwänglich ist. Mir wird an den einfachsten Häusern vor Augen geführt, das die Landsleute von Michelangelo einfach eine sehr alte Tradition pflegen, was Baukultur und Ästhetik betrifft. Ich spüre wie die junge Generation versucht, aus diesen Wurzeln Neues entstehen zu lassen. Was mir am augenscheinlichsten ist, es wird moderne Architektur mit dem alten Wissen um Holz- und Natursteinverarbeitung verbunden.
In Neugier auf immer mehr, treibe ich mich über einen Pass nach dem anderen, wobei ich die spannendsten Schluchten und Täler bei herrlichsten Abendlicht erleben darf. Leider fahre ich an meinen ersten Italienabend so lange, das mir nur noch ein Restaurant als Essensquelle übrig bleibt. Ich bestelle doppelte Portion Spaghetti Carbonara, um meine Gier nach Nahrung in Griff zu bekommen. Das österreichische Paar am Tisch nebenan (beide um die 40 Jahre) durchlöchern mich währenddessen mit Fragen um meine Tour, auch speziell zur Elbrusbesteigung. Er interessiert sich für Blankeis, Höhenstürmen und Akklimatisationszeiten am Berg. Ich beantworte brav und merke wie der Elbrus aus meinen Bewusstsein bereits entflohen ist.
Meine Smilla Einen Tag zu früh komme ich nach Antholz. Unterdessen wasche ich, schreibe Tagebuch und sortiere, als mich absolut unerwartet meine 3 jährige Tochter Smilla von hinten überfällt. Die Szene erinnert dann an eine der inszenierten Familienzusammenführungen im privaten Fernsehen. Die Camper rund herum rücken ihre Stühle zurecht, machen das gekühlte Bier auf und beobachten unser fröhliches Treiben genüsslich. Nach dieser Euphorie beschliessen wir spontan das Rad für ein paar Tage stehen zu lassen und mit unseren alten Combi nach Venedig zu düsen, in die Stadt der Liebe.
Verzaubernd und atemlos Smilla`s Reiselust steht ihr förmlich ins Gesicht geschrieben. Beim Zeltaufbau reicht sie mir die Stangen, fragt beim Kochen ob ich auch genug Cumin und Pfeffer dabei habe. Schnell sind wir wieder das eingespielte Team und stürzen uns ins Getümmel der Stadt aus Pfählen. Mal endlos plappernd, mal eingeschüchtert und ruhig versucht Smilla, und wir im Schlepptau, vom Bahnhof zum Markusplatz zu kommen. Hier rechts in einem Laden, bemalt eine Frau eine Karnevalsmaske. Dreht man sich um, blickt man in eine andere Maske, eine Federgeschmückte. Dreht man sich weiter, fangen die Masken und die jungen Frauen und Kavaliere dahinter, an sich zu bewegen, huschen verstohlen durch die engen Gassen und verschwinden auf einem kleinen Boot auf dem Kanal dahinter.
Venedig ist verzaubernd und atemlos zugleich. Wir erreichen den Markusplatz, sind inmitten von zahllosen Menschen. Smilla verfüttert das trocken gewordene Brot an die Tauben, bevor sie geschafft auf meinen Schultern einschläft.
Am letzten grossen Pass Die Tage zusammen verfliegen zu schnell und ich registriere, wie ich wieder alleine die Berge hinauf trete. Über den Brenner, einer Lücke im Alpenhauptkamm, komme ich nach Innsbruck, der Hauptstadt der Alpen, wie es auf dem Werbeplakat steht. Ich lerne, dass der Name Innsbruck von der "Brücke über den Inn" stammt. Ganz selbstverständlich nutze ich auch diese Brücke an historischer Stelle, um nördlich des Inn`s meine Reise fortsetzen zu können. Ich stelle mir vor, ein Teil einer alten Handelskarawane zu sein, die Gewürze aus dem Orient zu den Gebieten nördlich der Alpen bringt. (tatsächlich habe ich auch frische Gewürze aus Istanbul in der Tasche) Und dann diese widrigen Wetterbedingungen am letzten grossen Pass, dem Hahntennjoch mit starkem Regen und gerade eimal 6°C über Null. Mit einem Jubelschrei überquere ich die Grenze zu Deutschland bei Pfronten im Allgäu. Mein Freund und Seilpartner Tobi empfängt mich in seiner Wohnung, hier ganz im Süden Deutschlands. Das Wetter soll sich bessern und wir reden darüber die Zugspitze (knapp 3000m hoch, Deutschlands höchster Berg) zu besteigen. Bei herrlichem Wetter laufen wir in dreieinhalb Stunden hinauf, reden über den Elbrus, den Kaukasus und die spannenden Wochen unterwegs.
Das schönste der Reise In 2 Tagen fahre ich die letzten 500 km bis in die Heimat. Ich sitze auf dem Rad, geniesse jeden Kilometer und versuche meine Gedanken zu ordnen. Wie hilflos sind wir in Russland angekommen. Elena hat uns den Schwung für den Elbrus gegeben, den wir in 3 Tagen fast hoch und herunter gerannt sind. Es war einfach unsere Art, auf Schnelligkeit zu setzen, auch wenn wir den Gipfel nur mit allerletzter Kraft erreicht haben.
Beinahe mühelos sind wir danach durch die Täler und auf die Aussichtsberge im Kaukasus gestiegen, haben uns treiben lassen und die Geschwindigkeit wieder stark gedrosselt. Haben uns den Geschichten der Leute hingegeben und die Zeit vergessen. Als Tobi zurück flog und ich meinen Weg alleine fortsetzte, fühlte ich mich vogelfrei und sehr aufgewühlt. Kaukasus, Sotschi, Schwarzes Meer. Ich habe tausende Bilder im Kopf und viele Menschen, die mir geholfen haben. Die anfängliche Angst vor der Einsamkeit wich dem Selbstvertrauen und der Zuversicht. Dann der lange Weg durch die heissen Gebiete der Türkei, die Einladungen zum Tee, die Harakirifahrt ins Stadtgebiet von Istanbul, die ausufernde Fussballfete. Es folgte der vielseitige Balkan mit seinem bunten Mix der Leute, der herrlichen Tanzmusik, die tief unter die Haut geht. Ich hätte mir an jedem Ort mehr Zeit zum Verweilen gewünscht, doch dann zog es mich weiter, ruhe- und rastlos. Aber genau das war das schönste der Reise. Das Gefühl von Freiheit.

Ich danke allen sehr herzlich, die mich unterwegs wieder aufgebaut haben, mir Wasser gereicht, Dusche und einen Schlafplatz angeboten haben oder einfach Zeit zum unterhalten hatten.
Kleine Statistik:
Reisezeit: 2 Monate, davon 2,5 Wochen Bergsteigen
bereiste Länder: 9
Radkilometer: 3753 km
Höhenmeter Rad: 29.987 m
Radpannen: nicht eine (habe mal die Kette geölt)
Höchster Punkt: Elbrus, 5642 m
Niedrigster Punkt: Schwarzes Meer, 0 m
Temperaturspanne: von ca. -20°C bis +44°C
Körpergewicht: 0,5 kg zugenommen

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