Marokko - Der Marokkanische Weg (1)
Marokko | Maultiertrekking mit 2 kleinen Kindern im Hohen Atlas
► Der Marokkanische Weg (1)
von Axel Bauer
Endlich ist Weihnachtszeit, schöönne Zeit… | Da ein Flug am 24.12. nun einmal günstiger ist als in den Tagen zuvor oder danach, finden wir uns, also unsere 2 Töchter Smilla (6) und Selma (3) sowie Wibke und Axel, am Heiligen Morgen im Flugzeug wieder. Aber auch da klingen die Weihnachtslieder im Kanon. Die Weihnachtsbescherung gibt es auf dem Platz der Geköpften im "Land Gottes", so wie Marrakesch aus der Berbersprache übersetzt heißt. Aus rein praktischen Gründen sind Geschenke mit mehr als 100 Gramm tabu. So wurde es richtig spannend. Wir erleben ein einfaches aber gerade dadurch schönes Weihnachtsfest auf der Dachterrasse unter den tausenden Sternen des Orients. Ganz nach unserem Gusto.
Der Marokkanische Weg | Wie wäre es mit Rucksack durch das geheimnisvolle Atlasgebirge zu wandern, einsame Berberdörfer zu entdecken und mit ihnen ein kleines Stück Leben zu teilen? Wie weit können wir unsere Trekkingausrüstung minimieren, um zusätzlich die 2 Kinder auf langen Wegstrecken zu tragen? Bisher haben wir so jede Tour geschafft, doch mit den stetig wachsende Zwergen kämen wir nun an unsere Grenze der Belastbarkeit. Die Lösung liegt schlicht und einfach im "Marrokanischen Weg". Im Atlas sind Esel und Maultiere das Transportmittel der Wahl. Auf steinigen und engen Dorfgassen oder schmalen Bergpfaden sind sie zuhause. Mit dem Vorhaben uns ein Maultier auszuleihen, fahren wir mit dem Linienbus von Marrakesch über Ourika in das märchenhaft klingende Setti Fatma. Wen sollen wir am besten wegen einem Tragtier fragen? Nun, wir erzählen es dem Vermieter unseres Zimmers und schon am Abend kommt jemand auf uns zu, der jemanden weiss, dessen Onkel… . Setti Fatma ist das letzte Dorf am Ende einer Gebirgsstrasse. Die Strasse hört auf, aber die alten Maultierpfade beginnen und führen über Pässe und weite Täler und verbinden ein Dorf mit dem Nächsten. Es ist eine Gegend, wo die Uhren aufhören zu rasen.
Knackwürste als Notration | Am nächsten Morgen, irgendwann nach Sonnenaufgang, kommt unser weisses Maultier angetrabt. Dazu wird noch Mohammed als Treiber bestimmt, der uns 3 Tage bis Imlil begleitet und 2 Tage dann alleine zurückreitet. Im Laden nebenan kaufen wir etwas Brot, 3 Knackwürste haben wir als Notration dabei, sowie Apfelsinen und Kekse. Alles weitere werden wir unterwegs schon bekommen. Auf Arabisch heisst diese Einstellung Inschallah, so Gott (Allah) will. Mohammed, Selma und Smilla reiten, wir laufen hinterher. Und so geht es dann auch los.
Die Landschaft ist trocken, die Bergspitzen sind leicht mit Schnee eingezuckert. Obwohl es mitten im Winter ist, finden wir, dass es ideal für eine Tour im Atlas ist. Es scheint tagsüber kräftig die Sonne, dass man sich daran laben kann aber nur wenig schwitzt.
Nach einer guten ersten Stunde ohne ein Mucks meldet sich Smilla: "Mama, darf ich dich etwas fragen?" "Ja!" "Mama, wie weit ist es noch?" Jeder der Kinder hat, kennt diese Frage sehr genau. Mit der Wahrheit zu kommen wäre in dieser Situation unklug. Besser ist eine Laufgeschichte oder ein Lied. Und so laufen wir in ein kleines Bergdörfchen ein und trällern: "Schneeflöckchen, weiss Röckchen…". Neugierig werden wir von einer Horde Kinder beäugt und begleitet. In der Nachmittagssonne schaffen wir es noch erstaunlich weit in die Berge hinein. Auf etwas über 2000 m Höhe finden wir eine Herberge im Dorf Timichi, wo wir zur Begrüßung einen Whisky Berber - süßer marrokanische Minztee - bekommen. Am Abend kriecht die Kälte in die Häuser und wir verziehen uns nach einem leckeren Tajine in die Schlafsäcke.
Selma in Mohammed`s Armen | Der nächste Tag ist für alle anstrengend, denn es geht über den Pass Tizi n'Tacheddirt (3.172m). Die kleine Selma und unser Mohammed bleiben zusammen auf dem Muli sitzen, sie halten sich aneinander fest und meistern so alle Steigungen, solange bis Selma kurz vor dem Pass in seinen Armen selig einschläft. Smilla, die Grosse, läuft bis ganz hinauf, und ist dann mächtig stolz darauf auf sich.
Ganz oben auf dem Berg zu sein, weit in die Landschaft zu schauen mit dem vorbeistreifenden Wind im Gesicht, es ist für uns alle ein süsser Moment der Freiheit.
Als wir das Bergdorf Tachedirt erreichen verschwindet auch gerade die Sonne hinter zackigen Felsformationen. Die Leute sammeln die getrocknete Wäsche von den Felsen ein, einige kommen mit der Hacke von der Feldarbeit, Kinder rennen mit einem platten Fussball durch die staubigen und engen Gassen. Das Maultier bekommt Hafer. Es ist eigentlich ein ganz normaler Tag, doch für uns ein Einblick in eine völlig andere Welt.
Der nächste Tag bringt uns schon an unser Zwischenziel Imlil. Es ist das wichtigste Bergdorf im Hohen Atlas, hier treffen wir wieder auf Läden, Autos und natürlich Touristen. Imlil liegt auf ca. 1850 m Höhe ist der Ausgangspunkt für Besteigungen des 4167 m hohen Djebel Toubkal, dem höchsten Berg Nordafrikas. Nachdem wir uns von unseren Eseltreiber verabschiedet haben brauchen wir einen Tag Ruhe und Entspannung. Oder vielleicht doch eine schnelle Bergbesteigung? Mehr erfahrt ihr im nächsten Teil der Geschichte.
Eure Abenteurer Selma, Smilla, Wibke und Axel