Argentinien - Chile by bike...Herzlichkeit (2)
Argentinien bis Chile - Mit 2 Kindern on tour
► Teil 2: Welle der Herzlichkeit
Es ist 21 Uhr. Die Nachrichten. (A.B.) "Buenos Tardes, die Meldungen zum Abend: Mit 2 Kindern fährt eine deutsche Familie mit Fahrrädern durch Argentinien. Getroffen haben wir sie in... ." So begann gestern ein kurzer Beitrag im Fernsehen über uns. Unsere Radkarawane mit den 2 blonden Kindern ist hier so ungewöhnlich, dass wir überall auffallen. Sobald wir anhalten, werden wir angesprochen und die Handykameras gezückt. Es weht uns eine Welle der Herzlichkeit entgegen. Es begann mit der spontanen Einladung von Fernando in sein Hotel in dem Badeort Mar del Plata und reisst bis heute nicht ab. Doch alles der Reihe nach.
Es bläst ein straffer Wind vom Meer und türmt die Wellen auf. Die Gischt weht weit in bis in die Stadt an der Atlantikküste. Auf der anderen Seite liegt Afrika. Ein paar hartgesottene Wellenreiter surfen im noch eisigen Frühlingswasser. Es nieselt jetzt, kein Wetter zum Radfahren, aber zum Entdecken der Muscheln am Strand. Am Nachmittag kommt die Sonne wieder und Scharen von Anglern platzieren sich an der Wasserkante. Mit Seelenruhe werfen sie die Angeln immer wieder aus und trinken dabei aus ihren Matebechern.
Die erste Regenphase konnten wir Dank Fernandos Hotel im Trockenen aussitzen. Hochmotiviert fahren wir weiter, an der Küstenlinie entlang. Ein straffer patagonischer Wind stemmt sich gegen uns. Ich habe das Gefühl mit dem Hänger eine 2 x 3m Schrankwand hinter mir zu haben. Smilla tritt bei Wibke auf dem Tandem mit in die Pedale. Es nützt nicht viel und nach 25 km bauen wir das erste Mal das Zelt auf. Der Wind weht eigentlich jeden Tag, eigentlich auch immer irgendwie von vorne und immer dann am meisten wenn wir gerade Fahren. In so einem Moment taucht dann auch meistens ein (Wind)schnittiger Rennradler von hinten auf. In schnellen Spanisch spricht uns Daniel Buca an. An seinen Trikot steht Ironman. Er ist 67 Jahre und trainiert für seinen nächsten Triathlon in Europa. Seine geballte Energie und gute Laune geht auf uns über.
Die Schwarze Witwe (W.R.) Wir fühlen uns sehr behütet hier: man passt auf uns auf. Wenn wir spätnachmittags an einem Ort ankommen, spielt sich fast immer die gleiche Szene ab:
1. Wir halten mit unseren Rädern an und schauen uns nach einem Schlafplatz um.
2. Jemand spricht uns an, wo wir herkommen und wo wir vorhaben zu schlafen.
3. Derjenige organisiert eine Unterkunft für uns und begleitet uns, bis wir sicher dort angekommen sind. Und so kommen wir zu außergewöhnlichen Unterkünften: einem Spielplatz, einer Cooperativa (eine Art LPG), einer katholischen Kirche, einem Rugbyclub und auch privat bei Leuten zu Hause. Immer wieder drängt sich mir eine Frage auf: was würde passieren, wenn in Deutschland eine verstaubte, argentinische Familie in einer Stadt oder einem Dorf anhalten würde? Würde jemand sie ansprechen, Hilfe anbieten, sie einladen? Sicher hat unsere Art zu reisen Vor- und Nachteile. Da ist einerseits diese Unsicherheit, ob man einen guten Schlafplatz finden wird (bis jetzt absolut unbegründet). Der Vorteil: wir tauchen auf diese Art sehr intensiv in das argentinische Leben ein. Die Leute, bei denen wir übernachten, erzählen uns über das argentinische Leben, über die Präsidentin Christina Kirchner, die auch "schwarze Witwe" genannt wird, über die Windverhältnisse der Pampa und über ihre Vorfahren (v.a. italienischer, spanischer, deutscher Abstammung). Wir trinken morgens Mate zusammen, ein Tee, der sehr bitter schmeckt und quasi das Lebenselexier der Argentinier darstellt. Wir tanken ein wenig Temperament und Lebensfreude von unseren Gastgebern, verabschieden uns mit einem Küsschen auf die Wange und fahren gestärkt weiter.
Der Tag steckt voller Kontraste (W.R.) Während wir in den Ortschaften und Städten das Leben pulsieren spüren, sind wir tagsüber alleine in der Pampa unterwegs. Die Straße geht immer geradeaus, alles ist flach und es bietet sich immer das gleiche Bild: Wiesen, ab und zu eine Rinderherde und ein weiter, weiter Himmel. Beim gleichmäßigen Treten wird der Kopf leer, die Gedanken verfliegen und es stellt sich fast ein meditativer Zustand ein. Doch Eintönigkeit ist nur der erste Eindruck: kleine Details fallen dadurch sofort auf. Besonders für Smilla und Selma ist es spannend die Tiere zu beobachten. Es gibt farbenfrohe Vögel, Schlangen, Füchse, Ameisen und Gürteltiere. Als wir unter ein paar Bäumen Pause machen, trete ich fast auf 2 Schlangen, die mindestens genauso erschrocken sind wie ich. Die Angst sitzt tief: was wäre, wenn eine der Mädchen auf eine Schlange treten würde? Zum Glück fotografiert Axel die Schlangen und wir zeigen die Fotos in den nächsten Tagen verschiedenen Leute. Die Antwort ist immer die gleiche: hier in der Pampa gibt es keine giftigen, nur ungiftige Schlangen. Gut für uns, denn die Mädels lieben es auf eigene Faust auf Erkundungstour zu gehen. Alles wird zum Spielen verwendet: Muscheln, Steine, Pfützen und einmal leider auch ein Kaktus, dessen kleine Stacheln wir mühsam wieder aus Selmas Hand entfernen.
Plan B (A.B.) Meine 3 Mädels machen einiges mit und wir haben eine Menge Spass dabei. Als wir eines Morgens auf dieser schnurgeraden Strasse mit den Rädern gegen den "feurigen" Wind kämpfen, jedoch verlieren, holen wir Plan B aus der Tasche. Die 3 Hübschen setzen ihren besten Hut auf, eine coole Sonnenbrille und natürlich einem Lächeln dazu. Mit dem Daumen im Wind bezaubern sie die Autofahrer und halten eine Camionetta (Pick up) an, die uns bis zur nächsten Stadt mitnimmt. Hier spielt der Zufall uns wieder in die Karten, wir übernachten im Vereinshaus des Rugby Clubs und geben am nächsten Tag das besagte Interview im Fernsehen. Wie es weitergeht? Wir wissen es nicht. Auf jeden Fall mit vielen Überraschungen, das ist sicher. Und wir erzählen euch im nächsten Teil davon.
Wibke und Axel mit Smilla und Selma